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Y. aus Eritrea

Am 10. Januar 1998 erblickte Y. das Licht der Welt in Eritrea. Die Eltern bewirtschaften einen Bauernhof, auf dem er gemeinsam mit acht Geschwistern aufwächst. Ein älterer Bruder fristet seit Jahren ohne Aussicht auf Entlassung sein Dasein beim Militär. Ein weiterer Bruder hingegen desertierte von seiner Truppe und fand Asyl in der Schweiz. Angesichts der drohenden Gefahr vor einem ähnlichen Schicksal fasst Y. den Entschluss zur Flucht.

Im Dezember 2014 begibt er sich als Minderjähriger auf einen beschwerlichen Weg über Äthiopien, Sudan, Libyen und Italien, um schließlich am 22. Juni 2015 in Basel anzukommen. Seine erste Anlaufstelle findet er in Basel, Hinterkappelen, Säriswil, bevor ihm im Winter 2015 vorübergehend eine Bleibe in Interlaken zugeteilt wird. Im Frühjahr 2016 zieht er nach Leissigen, begleitet von einem sechsmonatigen Besuch der IDM in Spiez. Anschließend wird er zur IDM Interlaken umgeteilt, wo er bis zum Abschluss im Sommer 2018 zur Schule geht. Im Sommer 2016 findet er Zuflucht in einer WG in Spiez und nimmt aktiv am Angebot des IMP (International Meeting Point) teil.

Ab Sommer 2017 absolviert er Schnuppertage in diversen Berufsfeldern. Im Sommer 2018 beginnt er seine Ausbildung zum Bergbauern bei einem Landwirt im Oberland. Er hinterlässt überall den Eindruck eines angenehmen, lernbegierigen, zuvorkommenden und engagierten jungen Mannes.
Dann am 1. Oktober 2018 wird seine hängige Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht endgültig abgewiesen. Das Urteil lautet: Y muss die Schweiz bis zum 2. November 2018 verlassen. Eine Abschiebung nach Eritrea ist jedoch nicht möglich. Y erhält Nothilfe, muss in ein Rückkehrzentrum (RZ), seine Lehre abbrechen, darf nicht arbeiten und sein gutes Deutsch in keiner Schule weiter verbessern. Er verharrt in einer perspektivlosen Warteschleife.

Mit dieser ausweglosen Situation kann er sich nicht abfinden. Er begibt sich nach Calais mit dem Ziel, von dort aus weiter nach England zu gelangen. Doch die Überquerung des Ärmelkanals erweist sich auch für ihn als unmöglich. Schließlich wird er in Deutschland von der Polizei aufgegriffen und mit dem Flugzeug von Frankfurt nach Zürich ausgeschafft. Er kehrt ins RZ zurück und muss erneut auf eine ungewisse Zukunft warten. Selbst der vergebliche Versuch, ein Visum für Kanada zu erhalten, bringt keine Erleichterung. Schwarzarbeit bietet vorübergehende finanzielle Entlastung, dennoch erkennt er darin keine langfristige Perspektive. Weder können wir ihn im Jahr 2020 vom erneuten Untertauchen abhalten noch ein Härtefallgesuch, das im folgenden Jahr in Aussicht stand.

Im Jahr 2021 meldet er sich aus Belgien, mit dem Vorhaben, von dort aus eine Überfahrt nach England zu versuchen. Dann, gegen Ende 2023, erreicht uns die erlösende Nachricht: Er erhält einen Aufenthaltsstatus in Belgien. Dort kann er nun sein Leben eigenständig ohne Gefahr der Ausweisung gestalten, eine neue Sprache erlernen und eine Ausbildung beginnen.